Das »Wirtshaus im Fraunhofer«
Volksmusik aus aller Herren Länder
Von Josef Brustmann
Wenn du in München zehn Leute frägst, wer Fraunhofer ist, dann sagen dir sechs davon, dass das einmal ein berühmter Wirt war … Der berühmte Wirt lebt und heißt Josef Bachmaier, sein Wirtshaus steht in der Fraunhoferstr. 9 im Münchner Glockenbachviertel.
Wenn man in die Chronik schaut, gibt es das Wirtshaus bereits seit 1774. Genau 200 Jahre später im Jahr 1974, heißt der neue Wirt Josef Bachmaier, von seinen Freunden Beppi genannt. 1974 ist nicht weit weg von 1968, und das Fraunhofer nicht weit weg vom »MUH« (musikalisches Unterholz) in der Sendlinger Straße. Josef Bachmaier hat’s bei seinem Umzug nicht weit gehabt damals, und er hat alles Wichtige aus diesem traditionsreichen Kulturbrettl mitgenommen:
- die Lust an der Gaudi und am Leben
- ein großes Interesse an allem, was die bayerische Kunst und Kultur ausmacht
- eine ungezwungene Offenheit für andere Kulturen
- eine rege Anteilnahme an Mensch, Gesellschaft und Politik, und damit verbunden
- eine unzwidere Lust zum Widerspruch und zur Kritik, oft genug umgesetzt in gezielte politische Aktionen, selten ohne Begleitung von Herrn Humor.
Im Hinterhof des »Fraunhofer« dann die »Kulisse«, die kleine Theaterkneipe, ein zauberhaft verwunschener alter Gastraum (ehemals errichtet für die schlagende Studentenverbindung »Turonia«), in dem der »Poetenstammtisch« seine für alle offenen Zusammenkünfte abhält, aber auch immer wieder Musikanten etwas ausprobieren oder spontan aufspielen.
»Ich bin der Wirt, meinen Namen könnt’s draußen am Schuidl lesen«, gab Beppi den vier Polizisten Auskunft, die ihn daraufhin wegen Widerstand und überschrittener Sperrstunde in der Kulisse mit Handschellen auf ’s Revier mitnahmen. Der Eibl Sepp versuchte, die Polizisten zwar mit seinen schönsten Gitarren-Landlern umzustimmen, jedoch ohne Erfolg. Er konnte nur noch anderentags in seiner Funktion als Journalist den Gesetzeshütern einen groben Artikel in der Zeitung hinterherschreiben.
Das kulturelle Herz des »Fraunhofer« aber schlägt im »Theater«. Seit 1974 treiben hier Laien, Halbprofis oder Profis, Musikanten, Schauspieler, Kabarettisten, Poeten und andere Künstler ihr fruchtbares Unwesen. Jörg Hube mit seinem »Herzkasperl«, Sigi Zimmerschied mit seinem »Klassentreffen« und Fredl Fesl mit seinem »Erzherzog-Johann-Jodler« spielten sich hier aus dem saftigen bayerischen Kultursumpf nach oben und wurden Berühmtheiten.
Neben dem Kabarett waren die Strömungen der Volksmusik die andere kräftig-pumpernde Lebensader. Sepp Eibl, Arthur Loibl, der Zither-Manä, Rudi Zapf, die Interpreten der Bairisch Diatonische Jodel-Wahnsinn, Richard Kurländer mit der Fraunhofer Saitenmusik (sozusagen der »Hausband«) – sie alle sangen und spielten im »Fraunhofer« aus Leibeskräften, fest entschlossen, die heimatliche Musik und Sprache nicht untergehen zu lassen im angepassten, faden, globalen Einheitsbrei, aber gleichzeitig begierig darauf, alles Neue aufzusaugen und der Volksmusik als neuen Nahrungsstrom wieder zuzuführen.
Erfahrungsgemäß entsteht dabei auch immer viel Unverdautes und Unfertiges – aber wer nicht experimentiert und nicht Neues schafft, verkennt, dass er selber nichts zu spielen hätte, wenn nicht vorher andere vor ihm Neues gewagt und erschaffen hätten.
Es lebe das Experiment, unsere Volksmusik ist stark, sie wird sich nur langsam verändern, und sie wird alles überleben!